Laufbericht Witiker Backyard Ultra – 29.05.2025
Laufbericht Witiker Backyard Ultra – 29.05.2025
Intro
Der Witiker Backyard Ultra ist neben einem Ausdauerlauf auch ein gesellschaftliches Treffen Gleichgesinnter. Menschen aus allen Gesellschaftsschichten kommen mit einem gemeinsamen Ziel zusammen: so lange wie möglich durchlaufen, immer wieder eine 6.7 Kilometer lange Runde mit etwa 135 Höhemeter absolvieren, so lange wie es geht. Dieser Lauf wird bereits seit 6 Jahre von Carsten Drilling organisiert und hat von alle Backyards in der Schweiz das beste Starterfeld. Hier laufen die meisten Läufer/Läuferinnen über die magische 24 Stunden.
Jede(n) Läufer/Läuferin kommt mit einem Ziel im Kopf, was ich krass finde, wenn man sich dafür offen stellt, kann man sein/ihr Ziel sehr einfach überschreiten. Ich habe es in meine 7 vorherige Backyards X-mal miterlebt, wie Leute mit einer persönlichen Bestdistanz gestartet sind und diese bei dem Backyard verdoppelt haben. Meine Theorie ist, dass einen Backyard einerseits Gelenkschonend ist, weil die Durchschnittsgeschwindigkeit viel niedriger ist als bei einem normalen Race und andererseits ist es viel sozialer, weil man langsam unterwegs ist hat man Zeit um mit anderen zu reden und ohne es zu merken hat man schon einen Marathon in die Beine. Ich sage immer, «einen Backyard Ultra ist einer geschützten Werkstatt», im schlimmsten Fall von einer Verletzung findet man dir während der nächste Runde. Ich habe bisher noch nie etwas Schlimmes mitgemacht (ich lange jetzt Holz an).
Ich bin immer gerne früh vor Ort, weil ich keine Crew habe und mich alleine muss verpflegen/unterstützen, somit brauche ich viel Zeit mich einzurichten und aufzustellen. Das gibt mir viel Zeit um mit Leute zu reden und neue Personen kennenzulernen. Viele Leute kommen mit dem Ziel 24 Stunden zu laufen, aber je nach wie die Bedingungen sind, geht es nicht auf für jede/jeder. Vor dem Start habe ich mit viele Personen geredet, die gerne die 24 Stunden erreichen möchten, schlussendlich haben 13 Läufer und Läuferinnen das erreicht (über 10% des Startfeldes), aber wenig von denen die es vorher angegeben hatten.
Strategie
Vor dem Lauf habe ich mich verschiedene Hilfsmittel ein gedacht, um mit der Langeweile umzugehen und um immer wieder ein Ziel im Kopf zu haben. So hatte ich für etwa 5/6 Runden immer ein kleines Ziel im Kopf (Marathon, 80 Kilometer, Nacht bestehen, neue Distanz PB, usw.), mein grosses Ziel war einen 100 Meiler zu erreichen aber das B-Ziel war das Ziel, das ich kommuniziert habe: 200 Kilometer, damit ich nicht bei 160 Kilometer aufhören würde. Um die 200 Kilometer zu erreichen habe ich immer in 3 Runden Takten gedacht, jede Runde ist etwa 6,7km, nach 3 Runden ist man dann auf etwa 20 Kilometer, das war einfacher zu kalkulieren. Während dem Lauf habe ich meine Strategie nochmal angepasst, mehr dazu später.
Ich hatte vor jede Runde zwischen 50 und 52 Minuten zu laufen, um das zu erreichen wollte ich jede Runde zu hinderst starten und mich nicht mitziehen lassen von der Masse. Ich hatte das bereits beim Easter Backyard geprobt und so hat es richtig gut funktioniert und auch Gespräche mit Niklas Sjöblom während dem EBU hatten das bestätigt und er hat es auch bewiesen beim EBU. Am Anfang musste ich aber bereits aufpassen, weil vor dem Start wurden alle «Seniors» gebeten die Strecke an den Rookies zu zeigen und fand ich mich vor im Startfeld zusammen mit Jörg, Weronika, Thomas, Niels, Javier und anderen.
Ernährung
Während vergangene Backyards habe ich mich immer mehr von Gels verabschiedet, wo ich mir am Anfang noch oft von Gels, Biberli, Süssigkeiten, usw. ernährt hatte, bin ich im Laufe der Jahre immer mehr auf feste Ernährung umgestiegen. Letztes Jahr beim EBU 2024, wo ich 134 Kilometer gelaufen bin hatte ich Avocado Salat, Obst und Kartoffeln dabei. Essen, vieles essen, ist das A&O während einem Backyard Ultra. Man kann nicht lange laufen auf nur Gels.
Ich hatte während vergangene Backyards immer Lust auf Wrap mit Avocado und Poulet, daher es schwierig ist das finden (kaufen) und frisch zu halten, habe ich mir dieses Jahr entschieden sie selber zu machen. Ich hatte am Ende 4 verschiedene Wraps dabei (Poulet/Salat/Avocado und Humus, Humus und Pinienkernen, Poulet/Pesto/Pinienkernen und Humus mit etwas, das ich vergessen habe).
Dazu hatte ich noch viel Chips, salziges (Fleisch und Nüsse), Snacks, Wasser, Tailwind, Purees, Bretzel, Guetzli, Spitzbuben und anderes dabei. Am Ende habe ich mich grundsätzlich von den Wraps, Spitzbueben (danke Tom), Bretzel und Chips ernährt. Jede Runde hatte ich einen Handflask mit Wasser oder Tailwind dabei und zwischen jede Runde habe ich viel Wasser getrunken.
Ausführung
Punkt 12 Uhr liefen wir auf der erste Runde los, wie gesagt war ich relativ voran im Corall und bin ich die erste Runde in etwa 47 Minuten gelaufen. Viel zu schnell (obwohl in vor 2 Jahren 18 Runden mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 46 Minuten gelaufen bin) hatte ich vor viel weniger Energie zu verschwenden und auch weniger Zeit zwischen Finish und Start zu brauchen um auszuruhen, damit ich nicht zu viel abkühlen würde.
Die zweite und dritte Runde waren besser mit etwa 50 Minuten, aber die 4. Runde bin ich wieder in etwa 47 Minuten gelaufen. Das war meine schnellste Runde und ich musste etwas ändern an meine Strategie. Vor dem Lauf hatte ich mich mit Rebecca ausgetauscht, weil ich sie bereits bei den Weltmeisterschaften in Jegenstorf in Oktober hatte kennengelernt und bei dem Start von Runde 5 fand ich mich neben sie und ich erzählte ihr, dass ich mich sorgen machte über meine Rundenzeiten. Sie sagte dann, ich konnte mich bei ihr anschliessen, sie lauft ihre Runden in 53 Minuten, wenn das nicht zu langsam wäre.
Ab Runde 5 bin ich jede Runde mit ihr gestartet und für lange Perioden bei ihr geblieben. Manchmal habe ich gespürt, dass ich etwa mehr Zeit im Ziel brauchte (umkleiden, Toilette, Ernährung, usw.), dann bin ich ab und zu später davongezogen.
Nachdem es Dunkel wurde, wurde es auch langsam kälter. Zuerst habe ich dann Ärmlinge angelegt. Wenn die nicht mehr gereicht haben, habe ich eine Windjacke darüber angezogen. Gegen 2 Uhr nachts habe ich mir dann ein Thermoshirt angelegt mit der Windjacke darüber. Mit der Müdigkeit hatte ich nie Probleme. Ich hatte seit etwa 2 Wochen keinen Kaffee getrunken in Vorbereitung auf diesem Lauf, trotzdem hatte ich nie das Bedürfnis dazu während dem Lauf. Um 4 Uhr habe ich mir provisorisch mal einen Kaffein-Shot genommen, aber ich habe sie nicht wirklich gebraucht.
Zwischen den Runden habe ich immer gegessen, worauf ich Lust hatte, Hauptsache war immer zu essen. Ich hatte viel mehr Lust auf härte und salzige Sachen und es wurde mir nie langweilig, weil ich viel zur Auswahl dabeihatte. Daneben habe ich insgesamt über 12 Liter Wasser getrunken.
Wegen meine kleinen Ziele und weil ich jede Runde mit Rebecca losgelaufen bin, wurde es mir nie langweilig. Auch nachts waren wir Grossteiles der Strecke gemeinsam unterwegs und obwohl wir oft auch leise neben einander oder hinter einander gelaufen/gegangen sind und Rebecca oft mit Musik auf die Ohren lief, hatte ich immer etwas um mich abzulenken. So gab es auf der Strecke immer wieder «Markierungen», die Angaben wann zu gehen und wann zu laufen und was mir sehr gefiel waren die Unterschiede, die es jede Runde gab auf der Strecke. Jede Runde sah wieder anders aus, je nach Leute entlang der Strecke oder je nach wie den Sonnenstand an dieser Tageszeit war, somit war es immer abwechslungsreich. Nachts gab es dann oft Stirnlampen in der Ferne, an denen man sich ablenken konnte und wundern wer das ist.
Manchmal haben wir noch versucht der/die eine AufgeberIn mitzuziehen, noch wenigstens diese Runde abschliessen. Folg uns, es muss nicht schnell sein, wir werden in etwa 53 Minuten ins Ziel einlaufen. Versuche diese Runde noch abzuschliessen. Es ist uns somit gelungen noch ein paar Leute eine weitere Runden abschliessen zu lassen.
So habe ich die eine nach die andere Runde an einander abgeschlossen. Bevor ich es wusste war es wieder Morgen und kam meine persönliche Bestdistanz im Sicht (20 Runden/134 Kilometer). Das war eine weitere Motivation und so konnte ich sie einfach verbessern und mir Richtung die magische 100 Meilen bewegen. Mit dieser Motivation im Hinterkopf war es relativ einfach sie zu erreichen, aber im Gegensatz zu dem Donnerstag, wenn der Backyard angefangen hat, war der Freitag warm. Bereits am Morgen kam die Sonne früh raus und die machte mich zu schaffen und ich wüsste das ich jede Runde realistisch einschätzen müsste ob ich noch weiterlaufen konnte. Ich hatte mir als Motto «Gestorben wird auf der Strecke» aufgehängt und das wollte ich unbedingt versuchen.
Nachdem ich die 24. Runde absolviert hatte war ich euphorisch, ich fühlte mich noch gut, obwohl es bereits warm war, aber ab dann musste ich schauen wie es mir ging. Ich startete immer noch jede Runde mit Rebecca und auch die 25. Runde ging noch locker.
Während der 26. Runde merkte ich am Anfang bereits, sobald wir anfingen zu rennen, dass ich Schwierigkeiten hatte mitzuhalten. Trotzdem fand ich immer wieder den Anschluss, aber dann kam den «Heartbreak Hill» wieder. Jörg war ein bisschen vor uns und hier verlor ich den Anschluss. Sobald man oben ankommt, kann man wieder ein bisschen rennen, bevor es nochmals hochgeht. Sobald Jörg und Rebecca oben ankamen rennten die beide wieder, leider kam ich nicht ins Rennen und ab dort musste ich den Rest der Strecke gehend ablegen. Ich kam mit 58:35 zurück ins Ziel und dort wüsste ich, dass ich keine weitere Runde mehr in der Zeit abschliessen konnte. Die Zeit reichte mir nicht mehr um mich parat zu machen für eine weitere Runde und genug auszuruhen. Dort kam mein Rennen zu Ende. Offizielle Distanz 174.356 Kilometern, meine Garmin sagt 176.76 Kilometern mit 3525 Höhemetern.
Dies war ein Ziel/Projekt woran ich sehr lange gearbeitet habe und viel Zeit und Energie reingesteckt habe. Ich bin Mega stolz auf meiner Leistung und ich schwebe immer noch im siebten Himmel. Ich würde überwältigt von Glückwünschen und Kommentare, aber ich habe es für mich gemacht, ich wollte zeigen wie weit ich laufen kann am Stück, weil ich immer sehr faul war. Bis ich 35 Jahre alt wurde hatte ich nie im Leben richtig Sport gemacht. Ich weiss das unter den richtigen Bedingungen noch mehr rein steckt, das werde ich aber in der Zukunft angehen, wenn die Kinder grösser sind.
Für alle, die auch mal einen Backyard versuchen möchten, im September organisiert Marco Jäggi einer in Jegenstorf (bereits zum 5. Mal) und ich organisiere dieses Jahr zum ersten Mal einer in Oberwil-Lieli. Ich weiss nicht, ob Marco noch Plätze frei hat, bei mir gibt es noch ein paar frei.